Ursula K. aus Freiburg erzählt von einem Tag, der plötzlich alles veränderte

Gastbeitrag von Ursula K. (38), Freiburg

„Es roch nach Regen – aber ich wusste, es war etwas anderes in der Luft“
Ein persönlicher Bericht aus Freiburg am Tag nach dem Reaktorunfall

Am Sonntagmorgen bin ich mit dem Fahrrad zu meiner Mutter gefahren. Sie wohnt ein paar Straßen weiter am Hang. Es hatte in der Nacht geregnet, die Luft war frisch, ein bisschen erdig. Normalerweise liebe ich diesen Geruch. Aber an diesem Tag war es anders.

Im Radio hatte ich früh eine Meldung gehört, die mich irritiert hat: In Schweden sei Radioaktivität gemessen worden. Man vermute einen Störfall in einem sowjetischen Kernkraftwerk. Weiter nichts. Ich erinnere mich, dass ich beim Frühstück unruhig wurde. Es war diese Art von Nachricht, bei der man sofort spürt: Da kommt noch mehr.

Meine Mutter hatte davon nichts gehört. Wir tranken Tee und sprachen über den Garten. Ich blickte aus dem Fenster auf die feuchten Blätter und dachte plötzlich: Dürfen wir das überhaupt noch anfassen? Es fühlte sich übertrieben an – und gleichzeitig wie eine einfache, richtige Frage.

Als ich später nach Hause fuhr, begegnete ich kaum jemandem auf der Straße. Vielleicht lag es am Wetter, vielleicht auch nicht. Im Supermarkt war die Stimmung gedrückt. Jemand flüsterte vor dem Kühlregal: „Milch aus Bayern? Lieber nicht.“

Ich habe an diesem Tag wenig getan – und mich doch selten so wach gefühlt. Ich habe gespürt, wie dünn die Haut des Gewohnten ist. Ein Geräusch im Radio, ein Satz im Supermarkt – und plötzlich ist alles anders.

Heute frage ich mich: Wie sicher ist das, was wir für selbstverständlich halten? Und wer sagt uns die Wahrheit, wenn es ernst wird? Ich habe keine Antworten. Aber ich merke, dass ich seitdem aufmerksamer durch die Welt gehe. Und vorsichtiger atme.