Aufgrund der Nuklearkatastrophe in Tschernobyl sind große Mengen radioaktiver Strahlung in die Atmosphäre gelangt. Obwohl Schutzmaßnahmen von Seiten der Regierung bislang nicht ergriffen wurden, warnen immer mehr Experten vor den Schäden, die solche Substanzen verursachen können.

Zu Gast bei unserer Redaktion ist Prof. Dr. Stefan Porsch, Leiter des wissenschaftlichen Kocher-Instituts in Leipzig. Er klärt die Frage nach den Folgen radioaktiver Stoffe im menschlichen Körper und gibt Tipps, einer zu hohen Belastung vorzubeugen.

Redaktion: Guten Tag Herr Prof. Dr. Stefan Porsch. Unsere Leserschaft fürchtet sich sehr vor den Folgen der Katastrophe in Tschernobyl. Kaum jemand weiß jedoch, was diese Stoffe wirklich im menschlichen Körper anrichten. Können Sie diese Frage klären?

Prof. Dr. Porsch: Die meisten Menschen haben sich noch nie damit beschäftigt, da sie sich nicht betroffen gefühlt haben von dieser Thematik. Das hat sich nun leider geändert. Aufgrund ihrer ionisierenden Wirkung können radioaktive Strahlen chemische Verbindungen im menschlichen Körper aufbrechen und einzelne Elektronen herauslösen. Dabei entstehenden Ionen, die sehr reaktionsfreudig sind und chemisch stabile Verbindungen eingehen können. Unter anderem können durch diese Verbindungen einzelne Zellen oder ganze Gewebestrukturen zerstört und die menschliche DNA verändert werden, wodurch das Krebsrisiko stark erhöht wird.

Redaktion: Geringe Dosen an Radioaktivität befinden sich aber immer in der Atmosphäre,richtig?

Prof. Dr. Porsch: Ja, das ist richtig. Als „normaler“ Wert gelten 0,44 bis 1,2 Millisievert im Jahr, wobei die Messwerte in Deutschland der letzten Jahre ungefähr an der oberen Grenze dessen lagen. Das ist nicht weiter gefährlich. Es ist außerdem nicht so, dass der Mensch geringen Belastungen heillos ausgeliefert ist. Kleinere Verletzungen, die durch kurze und leichte Belastungen entstanden sind, können durch natürliche Reparationsmechanismen behoben werden. In Einzellfällen sind jedoch auch geringe Dosen bereits gefährlich. Eine Pauschalisierung ist daher schwierig, da es ebenfalls entscheidend ist, welches Gewebe bestrahlt wird. Durch das Unglück in Tschernobyl könnte die Strahlenbelastung in Deutschland nun durchaus höhere Werte annehmen. Trotz aller Berechnungen und Spekulationen ist es schwierig, zuverlässige Prognosen zu erstellen, zumal auch die Wetterlage hier eine entscheidende Rolle spielt.

Redaktion: Das klingt, als wäre es vernünftig, sich gegen alle Eventualitäten zu rüsten. Wie können unsere Leserinnen und Leser ihre Gesundheit und die ihrer Angehörigen schützen?

Prof. Dr. Porsch: Unser Team hat eine Liste mit Ratschlägen erstellt, mit denen Sie gegen die erwartbaren Belastung voraussichtlich ausreichend geschützt sind:

1. Wenn möglich ist es ratsam, sich im Haus statt unter freiem Himmel aufzuhalten. Dies gilt insbesondere, wenn mit Niederschlag zu rechnen ist. Durch den Regen werden radioaktive Stoffe aus der Luft gespült und können bei Kontakt mit der Haut in diese eindringen – man spricht in dem Zusammenhang auch von radioaktivem „Fallout“.

2. Auf frisch geerntetes Gemüse aus dem Freien sollte ebenso verzichtet werden wie auf Frischmilch, da in ihnen radioaktive Stoffe enthalten sein könnten. Greifen sie stattdessen lieber auf Konserven und haltbare Milch zurück.

3. Bei längeren Aufenthalten im Freien empfiehlt es sich, langärmlige Kleidung zu tragen, um sich vor äußerer Strahlung zu schützen. Außerdem ist es ratsam, Kinder nach dem Spielen im Freien zu duschen. Von einem Spielen im Sandkasten und auf dem Spielplatz sollte auch abgesehen werden, da die Kinder hier viel Körperkontakt zu eventuell kontaminierten Gegenständen haben.

4. Durch die Katastrophe in Tschernobyl befindet sich übermäßig viel radioaktives Jod in der Atmosphäre. Dieses wird von der Schilddrüse wie auch natürliches Jod aufgenommen und eingelagert, da Jod lebenswichtig ist, um spezielle Schilddrüsenhormone zu bilden. Gelangt jedoch radioaktives Jod durch die Atemluft oder Nahrungsaufnahme in unseren Körper, geht von ihm Strahlung aus. Dadurch wird das Risiko, an Schilddrüsenkrebs zu erkranken gerade bei Kindern und Jugendlichen, stark erhöht. Eine sogenannte Jodblockade, also die Aufnahme von natürlichem Jod in Tablettenform, kann zu einer Jodsättigung in der Schilddrüse kommen. Der Körper nimmt dann kein radioaktives Jod auf. Solch eine Behandlung sollte jedoch von einem Fachmann angeordnet und betreut werden, da Dosierung und Einnahmezeitpunkt eine essenzielle Rolle bei der Wirksamkeit spielen. Bei Personen über 45 Jahren bringt eine solche Behandlung außerdem nachgewiesener Maßen meist mehr Nachteile als Vorteile. Hier sollte von einer Jodblockade abgesehen werden. Außerdem wurden auch andere radioaktive Stoffe freigesetzt, vor denen Jod nicht schützt.

Redaktion: Vielen Dank für Ihre Tipps! Wir würden es sehr schätzen, in wenigen Tagen ein weiteres Interview mit Ihnen führen zu können. Dann ist die akute Lage klarer und Sie können die Schwere der Folgen besser absehen.

Bis dahin, liebe Leserinnen und Leser: Bleiben Sie informiert und sicher!