Guangong, China 25. April 1986 – Die Phrase „In China ist ein Sack Reis umgefallen“ ist anscheinend doch nicht so unbedeutend beziehungsweise unwichtig wie wir dachten. Was als banaler Vorfall in einem chinesischen Lagerhaus begann hatte für ein Dorf fatale Folgen. Um 10:24 Uhr Ortszeit kippte im Reislager der Firma Guangzhou Agricultural Supply Co. ein mit 50 Kilogramm Jasminreis gefüllter Sack um.

Eine Katastrophe mit Dominoeffekt

Augenzeugen berichteten, dass ein Gabelstaplerfahrer versehentlich gegen ein Regal stieß. Daraufhin fiel ein Sack Reis aus dem Regal und es folgten viele weitere, welche mehrere weitere Säcke anstießen. Innerhalb von Sekunden gerieten über 800 Tonnen Reis ins Rustchen. Das gesamte Lagergebäude musste evakuiert werden, da immer mehr Reissäcke zu Boden fielen und die Arbeiter verletzen konnten. Diese Reissäcke sollten jedoch nur 2 Stunden später an eine nah gelegene Schule transportiert werden. Durch diese Kettenrekation von umgefallenen Reissäcken die allesamt zerplatzen, verzögerte sich die vorgesehene Lieferung an die Schule um mehrere Stunden. Der nun offenliegende Reis musste nämlich zunächst erst einmal neu verpackt werden. Die Folge: Die Dorfschule musste das Mittagessen streichen und die Schulkinder hungerten. Eine Lehrerin dieser Dorfschule Lin Wuh berichtete folgendes:

„Die Kinder waren hungrig, laut und unkonzentriert. Einige von Ihnen gingen nach Hause, um dort zu essen, was wiederrum dafür sorgte, dass viele Eltern ihre Arbeit unterbrachen, um zu ihren Kindern nach Hause zu gehen und diese zuversorgen.“

In einem Dorf, indem so gut wie alles mit allem zusmmenhängt, hatte der Zwischenfall Auswirkungen auf die lokale Werkstatt, dem Metzgereibetrieb und sogar auf die Busverbindung. Dorfbewohner Chen verpasste zum Beispiel, augrund der Verzögerungen der Busverbindung, seine Anschlussfahrt nach Guangzhou. Um 16:03 Uhr meldete die Dorfverwaltung offiziell:

„Der Tag ist chaotisch verlaufen. Wir hoffen, dass sowas in Zukunft verhindert werden kann.“

Kleinigkeit mit großer Wirkung

Dieser Zwischenfall zeigt auf skurille Art und Weise, wie fragil unser Alltag eigentlich sein kann. Ein einziger Sack Reis- und eine ganze Dorfroutine gerät aus dem Gleichgewicht und Schulkinder müssen hungern. Niemand wurde bei diesem Zwischenfall verletzt und es entstand auch kein größerer Schaden. Und doch fragen sich nun viele: Welche „unwichtigen“ Dinge übersehen wir im Alltag, die doch weitreichende Folgen haben können? Dorfbewohner Chen sagte:

“ Vielleicht ist es an der Zeit, auch die kleinen Dinge wieder ernst zu nehmen“