Mecklenburger Landbote, Ausgabe vom 30.April 1986
Lokalteil-Nachrichten aus der Region Buchholz
Seit Bekanntwerden eines schwerwiegenden Reaktorunfalls im sowjetischen Kernkraftwerk Tschernobyl am vergangenen Wochenende haben auch in unserer ländlichen Region besorgte Bürgerinnen und Bürger Fragen an die Gemeinde gerichtet.
Gerüchte kursieren es sei zu einer radioaktiven Freisetzung gekommen und auch über die Wetterlage wird spekuliert. Während offizielle Stellen in der Hauptstadt zur Ruhe mahnen, suchten viele Einwohner unserer Gemeinde nach verlässlichen Informationen.
Die Gemeinde Buchholz hat sich daher entschlossen, eine öffentliche Erklärung abzugeben. In einem Interview mit unserer Zeitung erläuterte Bürgermeister Erwin Gahlert die aktuelle Lage.
Interviewerin: „Herr Gahlert, was können Sie zur aktuellen Lage sagen?“
Gahlert: „Zunächst möchte ich betonen, dass es keinerlei Anlass zur Beunruhigung gibt. Die Messungen, die uns aus Berlin übermittelt wurden, zeigen keine erhöhten Strahlenwerte in unserem Bereich. Wir stehen in ständigem Austausch mit dem Gesundheitsamt und der Bezirksleitung . Die Bevölkerung kann sich auf das Funktionieren unseres sozialistischen Systems verlassen.“
I: „Dennoch sind viele Menschen verunsichert. Was antworten Sie auf die Sorgen der Bürger?“
Gahlert: „Das kann ich gut verstehen. Eine solche Nachricht – auch wenn sie uns ja zunächst nicht wirklich betrifft – bewegt die Menschen. Aber wir müssen uns an die Tatsachen halten. Wir Sozialisten stehen geschlossen zusammen, und die sowjetischen Genossen unternehmen alles, um die technischen Probleme in Tschernobyl zu beheben. Wir dürfen jetzt nicht in Panik verfallen, sondern müssen mit klarem Kopf handeln.“
I: „Gibt es konkrete Vorsichtsmaßnahmen in unserer Gemeinde?“
Gahlert: „Ich möchte zunächst betonen: Wir sollten das Geschehen nicht dramatisieren. Was in Tschernobyl passiert ist, war ein technischer Zwischenfall wie er bei solchen Anlagen nicht ausgeschlossen ist. Unsere sowjetischen Freunde haben sofort reagiert mit Entschlossenheit und Kompetenz. Ich bin überzeugt: Wäre ein solcher Vorfall im kapitalistischen Westen passiert, wären die Folgen deutlich schlimmer gewesen.
Was unsere Region betrifft, gibt es absolut keinen Anlass zur Sorge. Dennoch haben wir – aus reiner Vorsicht – einige empfohlene Verhaltensweisen ausgegeben:
Es sollten Feldfrüchte wie Salat oder Spinat gründlich gewaschen werden. Das ist ohnehin natürlich sinnvoll, und selbstverständlich raten wir davon ab, Regenwasser direkt zu verwenden – nicht, weil es gefährlich wäre, sondern um mögliche Unsicherheiten zu vermeiden.
Wichtig ist jetzt vor allem eines: Keine Panik, keine Spekulationen und volles Vertrauen in die sozialistische Führung der Sowjetunion, die in schwierigen Zeiten stets Stabilität bewiesen hat.
I: „Ich danke Ihnen vielmals für ihre beruhigenden Worte“
Der Landbote schließt sich dem Appell des Bürgermeisters an und bittet alle Leser sachlich und ruhig zu bleiben und sich ausschließlich über sichere Quellen zu informieren.
Auch wenn momentan noch wenige Details über die Situation im sowjetischen Kraftwerk bekannt sind, steht fest, dass für unsere Region keine Gefahr besteht.
