Als am 26. April 1986 der Reaktor Nummer 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl explodierte, erschütterte nicht nur ein technischer Fehler die Ukraine, sondern auch das globale Vertrauen in die Beherrschbarkeit der Technik. Es wurde offiziell zuerst als ein “Störfall” benannt. Schnell entpuppte sich dies auch als eine der schlimmsten Katastrophen in der Geschichte der zivilen Nutzung von Kernenergie. Und heute sehen wir uns mit einer unangenehmen Frage konfrontiert: Haben wir Menschen die Technologie zu rasch entwickelt, ohne wirklich zu verstehen, was wir bewirken?

Sicherlich schuf der menschliche Fortschritt nie dagewesene Chancen. Eindrucksvoll zeigt aber die Katastrophe von Tschernobyl, wie blind dieser Fortschrittsglaube machen kann. Eine toxische Mischung wirkte auf Hunderttausende. Sie setzte sich zusammen aus hochkomplexer Technik, menschlichem Versagen, politischer Intransparenz sowie dem Glauben an absolute Kontrolle. Über Generationen hinweg wird die Umgebung um das Kraftwerk unbewohnbar bleiben. Die Strahlung ist sowohl unsichtbar als auch geruchlos. Sie ist außerdem tödlich. Und doch wurde versucht, die Wahrheit in der Art zu vertuschen, als ob ein PR-Problem gefährlicher wäre als die Radioaktivität selbst.

Mittlerweile gibt es mehr Stimmen, die nicht nur den sowjetischen Behörden Verantwortung zuweisen – was richtig ist –, sondern eine grundlegende Frage stellen: Ist unsere Technikethik mit dem Fortschrittstempo vereinbar? Er konstruiert Maschinen, die der Mensch kaum noch versteht, und vertraut auf Sicherheitssysteme, deren Grenzen erst im Ernstfall offenbar werden. Musste man denn derart risikobehaftete Energiequellen auf Biegen und Brechen unbedingt ausbauen? Ging es denn nur darum, den Fortschritt wirklich als Selbstzweck zu feiern?

Die Zeit zurückdrehen ist natürlich für uns nicht möglich. Aber Tschernobyl muss Mahnung wie auch Wendepunkt sein – es darf kein Unfall unter vielen sein. Nicht einzig für die Energiepolitik, sondern auch